Marsilio Ficino, Briefe (1489/93)

Zur Einrichtung der Edition:

 

Die Orthographie wurde normiert, die Interpunktion dem modernen Gebrauch angepaßt und Abkürzungen kommentarlos aufgelöst.

Drucke und Handschriften:

 

b1

Basel, Heinrich Petrus 1561

b2

Basel, Heinrich Petrus 1576

b3

vide b1, liber de sole, cap. XIII, pag. 974sq.
b4 vide b2, liber de sole, cap. XIII, pag. 974sq.
fl7 Florenz, Antonius Mischominus 1493
g s. l. 1516, SUB Göttingen 4° Auct.gr.I,2742
l Leipzig, Wolfgangus Monacensis 1502
Laur.20 Florenz, Bibl. Medic. Laur., Malvern cod. 89
M München, Staatsbibl., clm 10781
n Nürnberg, Anton Koberger 1497
p1 Paris, Guillelmus Pelé 1641
p2 vide p1, liber de sole, caput XIII, pag. 998sq.
St. Stuttgart, Landesbibl., HB XV 65 (Prov.: Italien 1492)
str1 Straßburg, Johannes Grüninger 1508
str2 Straßburg, Johannes Grüninger 1509
t Tübingen, Ulrich Morhard 1547
v Venedig, Mattheo Capcasa 1495
v2 Venedig, Bernardinus de Vitalibus 1503



Epistola 1

M        fol. 13v-14r

v          fol. CLXIv-CLXIIr

n          fol. CCIr-CCIv

b1/b2   pag. 901

p1        pag. 928-929

Responsio desideranti natalem suum et reliqua.

Antwort an den, der sein Horoskop und anderes wünscht.

Marsilius Ficinus Florentinus[1] Martino Uranio Praenyngero[2] Constantiensi salutem dicit[3].

Marsilius Ficinus aus Florenz sendet Martinus Uranius Prenninger aus Konstanz seine Grüße.

Mitto ad te Iamblichum [4], quem primum petebas, et Proculum insuper atque Sinesium. Tanto enim nostra iam iure postulas, ut plura semper tibi sint mittenda quam petas. Octo[5] epistolarum nostrarum libros[6] etiam desideratos abs te librariis concedemus propediem exscribendos. Primum missuri primo, deinceps vero secundum. Statui equidem hac aurora[7] nonum ferme iam absolutum tuo potissimum nomini dedicare. Hoc enim a nobis et plura caritas exigit virtusque tua.

Ich schicke Dir den Jamblichus, um den Du zuerst gebeten hast, darüber hinaus auch noch den Proclus und den Synesius. Denn Du forderst unsere Schriften bereits mit einem solchen Recht, daß man Dir immer mehr schicken muß, als Du verlangst. Die außerdem erbetenen acht Bücher unserer Briefe werden wir demnächst den Kopisten zum Abschreiben übergeben. Wir werden zunächst das erste schicken, dann auch das zweite. Heute am frühen Morgen habe ich meinerseits beschlossen, das neunte Buch, das schon fast fertiggestellt ist, an erster Stelle Dir zuzueignen. Denn das und noch einiges mehr verlangt die Liebe zu Dir und Deine Tüchtigkeit.

Natalem praeterea nostrum poscis: etsi Plotinus noster amicis frequenter id flagitantibus concessit nunquam, ego tamen ingenti quodam amore erga me tuo ita sum affectus, ut nihil tibi aliquando sim negaturus, nisi quod forsan facultati nostrae fuerit denegatum. Nonus[8] ergo supra decimum Octobris[9] dies mihi natalis fuit, anno videlicet a salute nostra millesimo quadringentesimo trigesimo tertio, hora vero diei. Quamvis a patre Ficino medico descripta non fuerit, eius tamen matrisque verbis coniecimus fuisse unam supra[10] vigesimam. Ascendisse tunc Aquarium ferme medium[11], una cum Piscibus arbitror; Saturnum in Aquario tunc orientis[12] angulum tenuisse; Martem in eodem carcerem duodecimum[13] tenuisse; in Scorpione solem atque[14] Mercurium in domo nona[15] , Lunam in Capricorno; in Leone[16] Iovem in septima; ibidem[17] in Virgine Venerem; in Ariete Fortunam.[18] Natalem habes, qualiscumque fuerit. Natum habes, quantuscumque contigit.

Außerdem fragst Du nach unserem Geburtstag; auch wenn unser Plotinus seinen Freunden, die oft darauf brannten, es zu erfahren, dies niemals zugestanden hat, bin ich dennoch von Deiner geradezu übermächtigen Zuneigung mir gegenüber so ergriffen, daß ich Dir niemals etwas abschlagen könnte, es sei denn, es stünde mir nicht zu Gebote. Der Tag meiner Geburt war also der 19. Oktober, und zwar im Jahre unseres Heils 1433. Obschon die Stunde dieses Tages von meinem Vater, dem Arzt Ficinus, nicht notiert wurde, schließe ich aber aus seinen und meiner Mutter Worte, daß es die 21. gewesen ist. Damals ist, glaube ich, der Wassermann beinahe in der Mitte aufgestiegen, zusammen mit den Fischen. Saturn stand seinerzeit im östlichen Winkel des Wassermanns, Mars im gleichen Sternbild im 12. Haus, die Sonne im Skorpion, Merkur im 9. Haus, der Mond im Steinbock, Jupiter im Löwen im 7. Haus, an derselben Stelle in der Jungfrau die Venus und im Widder Fortuna. Da hast Du den Geburtstag, wie auch immer er gewesen sein mag, die Geburt, wie auch immer sie ausfiel.

Etsi fortuna numquam ampla et perpetua quaedam corporis imbecillitas nostris semper libris vel scribendis obstitit, vel edendis, numquam tamen ab officio nobis forsan decreto destitimus. Iam vero in hoc octavo aetatis nostrae septenario novae etiam editionis immo et conscriptionis tu mihi causam praebuisti. Nam cum hoc anno librum a nobis de curanda litteratorum valitudine peteres compositum septimo aetatis septenario nostro, quo libros Platonis edidimus, genius profecto tuus nostrum genium excitavit, ut librum de vita ingeniosis producenda componerem, ut non solum bene quam diu vivant valerent, sed etiam, ut diu bene valentes viverent. Itaque hunc de vita studiosis proroganda librum iam absolvimus (favente Deo) atque huic addidimus; deinceps opusculum de vita caelitus comparanda compositum, ut remediis medicinisque non utcumque compositis, sed astrorum observatione confectis prosperam ingeniosis valitudinem[19] vitamque longaevam promitteremus. Si modo Deus ipse (sicut conscribenti nuper aspiravit) ita legentibus in posterum et utentibus aspiraverit. Bene vale, diu vale, vale feliciter[20]. XXVIIII.[21] Augusti MCCCCLXXXIX. Florentiae[22].

Auch wenn das Schicksal niemals großzügig war und immer eine gewisse fortwährende Schwäche meines Körpers der Abfassung und Herausgabe unserer Bücher entgegenstand, haben wir dennoch niemals den Dienst aufgegeben, der uns möglicherweise bestimmt worden ist. Doch selbst in diesem achten Septenarium meines Lebens hast Du mir sogar einen Grund für die Herausgabe und Abfassung eines neuen Buches gegeben. Denn da Du dieses Jahr von mir ein Buch erbeten hast über die Pflege der schriftstellerischen Kraft, welches ich im siebten Septenarium meines Lebens geschrieben habe, als ich die Bücher Platons herausgab, hat in der Tat Dein Geist meinen Geist angestachelt, ein Buch über die Lebensführung von schöpferischen Menschen zu schreiben, damit sie nicht nur solange sie leben, bei guter Gesundheit sind, sondern auch damit sie leben, solange sie bei guter Gesundheit sind. Daher habe ich bereits dieses Buch über die Verlängerung des Lebens von Arbeitsamen geschrieben (mit der Gunst Gottes) und diesem anschließend das fertiggestellte kleine Werk über den Bezug des Lebens zum Himmel hinzugefügt, um durch Heilmittel und Arzneien, welche nicht auf beliebige Weise zusammengestellt, sondern unter der Beobachtung der Gestirne hergestellt wurden, den Schöpferischen blühende Gesundheit und ein langes Leben versprechen zu können.Wenn nur Gott selbst, so wie er den Schreibenden jüngst inspiriert hat, auch das Lesen und Gebrauchen in Zukunft inspirierte. Lebe wohl, lebe lange, lebe glücklich! 29. August 1489, Florenz.

Epistola 2

M        fol. 56v

v          fol. CLXXVv

n          fol. CCXVIIr-CCXVIIv

b1/b2   pag. 926

p1        pag. 952

Caritas et pietas potissimum est sapientis officium.

Fürsorge und Pflichtgefühl sind die höchsten Aufgaben des Weisen.

Marsilius Ficinus Martino Uranio Germano dilectissimo suo salutem[23].

Marsilio Ficino sendet seinem liebsten Martinus Uranius aus Deutschland seinen Gruß.

Utinam mihi tantum sapientiae foret, ut et promissis pro me tuis et expectationibus aliorum satis quandoque facere possem. Officio quidem meo ferme iam pro viribus satisfeci. Adolescentes enim, quos nuper ad nos gratia disciplinae misistis, perlibenter excepi. Pio statim apud nos hospiti commendavi. Dabo in dies operam[24], ut benevaleant, ut educentur erudianturque quam optime. Meam saltem eiusmodi diligentiam optime mi Martine parentibus adolescentum vestrisque principibus, quibus sapientiam promisisti, promittito. Hactenus et ipse fideiussor eris (ut spero) veridicus, et[25] ego satis forte fecero, si pro expectatione sapientiae in primis praestitero caritatis et pietatis officium. Pietas enim summa quaedam apud Deum sapientia est. Primo Iunii MCCCCLXXXXI.[26]

Wenn mir doch nur soviel Weisheit beschieden wäre, daß ich sowohl den Versprechungen, die Du für mich gemacht hast, als auch den Erwartungen der anderen irgend einmal Genüge tun könnte. Meiner Pflicht habe ich freilich fast schon nach Kräften genug getan. Denn die Jungen, die Ihr jüngst zur Erziehung hergeschickt habt, habe ich sehr gern aufgenommen. Ich habe sie sofort einem getreuen Gastgeber bei uns anvertraut. Ich bemühe mich täglich darum, daß sie sich sehr wohl fühlen und so gut als möglich ausgebildet und unterrichtet werden. Versprich bitte zumindest meine Sorgfalt in dieser Hinsicht, mein Martin, den Eltern der Jungen und Euren Fürsten, denen Du Weisheit in Aussicht gestellt hast. Soweit wirst Du auch als Bürge (wie ich hoffe) die Wahrheit sagen, und ich will dem tüchtig nachkommen, wenn ich für die Erwartung der Weisheit besonders die Aufgabe der Fürsorge und des Pflichtbewußtseins übernehme. Denn die Pflichterfüllung ist bei Gott gewissermaßen die größte Weisheit. Am 1. Juni 1491.

Epistola 3

M        fol. 57r

v          fol. CLXXVIr

n          fol. CCXVIIv-CCXVIIIr

b1/b2   pag. 926

p1        pag. 953

Pro adolescentibus e Suevia missis ad Academiam Florentinam[27].

Für die jungen Männer, die Ihr aus Schwaben an die Akademie von Florenz geschickt habt.

Marsilius Ficinus Ludovico Nauclero et[28] Ioanni Phorcensi Germanis iurisconsultis salutem dicit[29].

Marsilio Ficino sendet Ludwig Naucler und Johannes (Reuchlin) aus Pforzheim, den deutschen Rechtsgelehrten, seinen Gruß.

Scribitis ad nos vestroque nomine Germaniae principes Florentiam adolescentes erudiendos tamquam ad[30] Academiam mittere. Sed ea interim elegantia scribitis, ut non ad Academiam filios immo ex Academia mittere videamini atque apud exteras nationes perquirere vobis iam domesticam disciplinam. Quae rerum vicissitudo est. Quantum insolentes plerique more sophistarum aliena temere profitentur tantum[31] vos modestissimi viri vel propria ritu Socratico diffitemini[32]. Hoc prae ceteris admirandi, quod quam curiose multi lapillos terrae visceribus reconditos perscrutantur, tam accurate vos caelestem sapientiae splendorem ubique gentium persequimini[33].

Ihr habt uns in Eurem Namen geschrieben, daß Ihr die jungen Fürsten Deutschlands zur Ausbildung nach Florenz schicken werdet, gleichsam wie an eine Akademie. Dies schreibt Ihr jedoch in einem so feinen Stil, daß es scheint, als schicktet Ihr Eure Söhne nicht an, sondern von einer Akademie, und daß Ihr die Gelehrsamkeit, die bei Euch zu Hause ist, bei auswärtigen Völkern sucht. Dies ist aber eine Umkehrung der Tatsachen. So wie die meisten dreisten Leute nach Art der Sophisten hemmungslos Fremdes zum besten geben, stellt Ihr überaus bescheidenen Männer sogar Euer Eigenes nach Art des Sokrates in Abrede. Dafür sollt Ihr mehr als andere bewundert werden, daß Ihr so neugierig, wie viele Leute neugierig die im Innersten der Erde verborgenen Steinchen durchwühlen, dem himmlischen Glanz der Weisheit aller Völker nachspürt.

Quamobrem incredibili quodam amore erga[34] vos affecti adolescentum vestrorum curam pia mente suscepimus et in primis insigni pietate hospiti commendavimus. Dabimusque in dies operam, ut ager natura fertilis frugem quandoque proferat felicissimam. Vos igitur bono animo estote et principibus vestris nostro nomine respondete Magnanimum Laurentium Medicem, cuius et ipsi clientes sumus, adolescentum providentiam libentissime suscepisse. V. Iunii MCCCCLXXXXI.[35] In Agro Caregio.

Deshalb sind wir von einer geradezu unfaßlichen Liebe gegenüber Euch erfüllt und haben die Fürsorge für Eure jungen Männer mit pflichtbewußtem Sinn übernommen. Wir haben sie einem Gastgeber anvertraut, der sich in besonderem Maße durch Pflichtbewußtsein auszeichnet. Wir werden uns täglich bemühen, daß der von Natur aus fruchtbare Acker dereinst reichste Früchte trägt. Seid also frohen Mutes und berichtet Euren Fürsten in meinem Namen, daß der hochherzige Lorenzo (di) Medici, dessen Klient auch wir selbst sind, sehr gern die Fürsorge für die Jungen auf sich genommen hat. 5. Juni 1491, Careggi.

Epistola 4

M        fol. 61v-62r

v          fol. CLXXVIIIv

n          fol. CCXXr

b1/b2   pag. 930

p1        pag. 956

Commendatio.

Empfehlung.

Marsilius Ficinus Philippo Valori suo oratori Romae[36] salutem plurimam dicit[37].

Marsilius Ficinus sendet Philippus Valor, seinem Botschafter in Rom, die herzlichsten Grüße.

Meministi mi Valor, quam ardenter nos amet Martinus noster Uranius? Adeo[38], ut et filium suum meo nomine Marsilium nuncupaverit nostrumque natalem instituerit celebrandum. Hunc ergo[39] non dubito abs te vehementer amari. Hic te salutabit, consilium aperiet suum, auxilium postulabit. Si memineris, quam saepe de Martino dicere soleam alter ego, non dubito, quin habeas hunc in omnibus mirifice commendatum Scripsi ferme eadem ad venerandum Soderinum nostrum. Huic ergo tu Marsilium ita (ut scis) geminum geminatis quoque precibus commendato. Primo Aprilis MCCCCLXXXXII.[40]

Erinnerst Du Dich, mein Valor, wie glühend uns unser Martinus Uranius liebt? So sehr, daß er sogar seinen Sohn nach meinem Namen Marsilius genannt hat und meinen Geburtstag zum Feiertag erhoben hat. Ich zweifle nicht, daß dieser von Dir sehr geliebt wird. Er wird Dich grüßen, seinen Plan darlegen und um Hilfe bitten. Wenn Du daran denkst, wie oft ich als alter ego über Martinus gewöhnlich spreche, dann habe ich keine Zweifel, daß Du ihn in allen Angelegenheiten für überaus vertrauenswürdig hältst. Beinahe dasselbe habe ich an unseren ehrwürdigen Soderinus geschrieben. Daher empfehle Du diesem den (wie Du weißt) auf diese Art gedoppelten Marsilius auch mit doppelten Wünschen. Am 1. April 1492.

Epistola 5

M        fol. 66v-67r

v          fol. CLXXVIIIIv-CLXXXr

n          fol. CCXXIv-CCXXIIr

b1/b2   pag. 932-933

p1        pag. 958-959

Laudes legitimi principis.

Lob des wahren Fürsten.

Marsilius Ficinus Florentinus[41] Eberardo[42] comiti[43] Vitembergensi[44] et Montis Peligardi seniori[45] salutem plurimam dicit[46].

Marsilio Ficino aus Florenz sendet Eberhard dem Älteren, Grafen von Württemberg und Mömpelgard, seine herzlichsten Grüße.

Multa iam pridem de singulari virtutum tuarum excellentia ex multis audivimus. Plurima nuper accepimus a Martino Uranio nostro, teste quidem et fideiussore apud nos locupletissimo laudumque[47] tuarum praecone apud omnes fide dignissimo. Quamobrem ingens admirabilium virtutum tuarum quasi stellarum splendor ad nos usque refulgens incredibilem in nobis iam accendit ardorem ad te vehementer amandum et colendum in primis atque venerandum. Desiderabam equidem iam diu, quod et Plato noster optare se praedicabat: cognoscere principem, in quo quemadmodum in Pallade una cum potentia pariter sapientia conspiraret[48] necnon ut in Caesare magnanimitas cum clementia, sicut in Scipione gravitas cum comitate[49] concurreret; in quo praeterea floreret et iustitia Minois et religio Numae[50]; sub quo pax illa rediret Octaviani; qui denique pacis studia rebus bellicis anteponeret, templa fundaret, publica litterarum gymnasia faceret, quem subditi non tam metuant quam ament et observent atque mirentur.

Schon längst habe ich viel über die einzigartige Vortrefflichkeit Deiner Leistungen von vielen gehört. Am meisten habe ich jedoch vor kurzem von unserem Martinus Uranius erfahren, der für mich sicherlich der zuverlässigste Zeuge und Bürge, für alle der glaubwürdigste Künder Deines Ruhmes ist. Daher erstrahlte der gewaltige Glanz Deiner bewundernswerten Tugenden bis zu uns und entzündete in mir ein übermächtiges Verlangen nach Dir, dem so überaus Liebens-, Verehrungs- und Bewundernswerten. Ich habe fürwahr schon lange das Bedürfnis gefühlt, zu dem sich auch unser Plato öffentlich bekannte: einen Fürsten kennenzulernen, bei dem, wie bei Pallas, Macht und Weisheit Hand in Hand gehen und gewiß auch wie bei Caesar Hochherzigkeit und Milde, wie bei Scipio Strenge und Leutseligkeit zusammenkommen; in welchem außerdem des Minos Gerechtigkeit in Blüte steht wie auch Numas Frömmigkeit und unter dem auch der Frieden Octavians zurückkehrt; der schließlich den Bemühungen um Frieden mehr Bedeutung beimißt als kriegerischen Auseinandersetzungen, der Gotteshäuser gründet und für die Wissenschaften öffentliche Schulen baut, den seine Untergebenen keineswegs fürchten als vielmehr lieben, respektieren und bewundern.

Eiusmodi quidem est legitimi principis idea et optata quondam a Platone et a nobis in primis desiderata atque (ut constans iam fama prohibet[51]) in te praecipue ingens, ut non mirum sit me iam meosque Academicos omnes tot virtutum tuarum radiis inflammatos te quasi caeleste numen colere ante alios principes atque venerari. Sed incredibili quodam amore praeterea cogimur te obsecrare, ut ipse quoque nos[52] ames singulariter te amantes semperque posthac etiam (ut iam facis) memineris[53], quemadmodum omne lumen pendet ex alto, ita virtutum tuarum splendorem ex ipso Deo patre luminum dependere, ut summus ille bonorum omnium auctor[54] probitatem tuam pariter atque felicitatem confirmet etiam in posterum et augeat confirmatam[55] dispositionem, et quotidianos caelestium cursus aspectuque[56] considera<n>s prosequaris.[57] XXVIII. Iunii MCCCCLXXXXII.[58]

Von dieser Art ist nämlich die Idee des rechtmäßigen Fürsten, von Plato einst gewünscht und von uns besonders ersehnt und in Dir besonders mächtig (so wie von Dir ständig die Rede geht), so daß es nicht wundert, daß bereits ich und alle meine Schüler an der Akademie entflammt durch den Glanz aller dieser Tugenden Dich gleichsam wie ein himmlisches Wesen vor allen anderen Fürsten verehren und hochachten. Aber die geradezu unfaßbare Liebe zu Dir zwingt uns, Dich dringend zu bitten, daß auch Du uns liebst, wo wir Dich beispiellos lieben, und daß Du auch hinfort immer bedenkst (wie Du es ja schon tust) daß, wie jedes Licht aus der Höhe kommt, so auch der Glanz Deiner Leistungen von Gott selbst, dem Vater des Lichts, abhängt, damit dieser höchste Urheber alles Guten Deine Rechtschaffenheit ebenso wie Dein Glück auch auf später hin festigt und diese gefestigte Veranlagung stärkt und du folgen mögest, den Blick auf den täglichen Lauf der Himmelskörper gerichtet. 28. Juni 1492.

Epistola 6

St         fol. 7r-8r

M        fol. 85v-86r

v          fol. CLXXXVIv

n          fol. CCXXIXv

t           fol. A6r-A6v

b1/b2   pag. 944

p1        pag. 968-969

Prooemium in comparationem solis ad Deum.

Einleitung zu einem Vergleich der Sonne mit Gott.

Marsilius Ficinus Eberardo[59] inclito[60] comiti[61] Virtembergensi[62] et Montis Peligardi seniori salutem plurimam dicit[63] .

Marsilio Ficino sendet Eberhard dem Älteren, dem berühmten Grafen von Württemberg und Mömpelgard, seine herzlichsten Grüße.

Martinus noster[64] Uranius, id est caelestis, re vera caelestium contemplator, longo mecum sermone tractavit, qualis sol est inter sidera talem extra controversiam[65] te esse inter omnes Germaniae principes[66]. Quibus equidem laudibus quasi quibusdam virtutis tuae radiis inflammatus epistolium illud iam pridem ad te dedi ingentis quidem in[67] te nostri pignus amoris. Sed non pignus, ut par fuerat, ingens. Quamobrem, ut aliquanto uberius et summae dignitati tuae et meo satis desiderio faciam, ad ipsum Germaniae solem nunc Platonicum et Dionysiacum[68] solem mitto mirum in[69] te amorem nostrum splendore passim declaraturum. Quemadmodum vero Mercurius Phoebi[70] munera ad hominum ingenia transfert, ita Phoebeum[71] hoc munus nostrum ad vos feret Ioannes Streler nobis quasi Mercurius alter. Leges ergo feliciter Phoebee [72] princeps, quae de comparatione solis ad Deum partim Plato Dionysiusque Areopagita tractarunt partim ego[73] interpretor atque commentor [74]. Vive felix in hac umbra vitae post hanc[75] sole tandem perpetuo fruiturus. Vale.

Unser Martinus Uranius, das heißt "der Himmlische", in Wahrheit aber ein Betrachter der Himmelskörper, hat in einem langen Gespräch mit mir erörtert, daß Du zweifelsfrei unter allen deutschen Fürsten so hervorragst wie die Sonne zwischen den Gestirnen. Durch diese Loblieder, gleichsam durch den Glanz Deiner Tugenden entflammt, habe ich Dir schon vor längerer Zeit jenes Briefchen geschrieben als Unterpfand meiner fürwahr gewaltigen Liebe für Dich. Es ist jedoch kein unermeßliches Pfand, wie es angemessen wäre. Damit ich es also Deiner höchsten Würde wie auch meinem Verlangen entsprechend bedeutend reicher mache, schicke ich jetzt der Sonne Deutschlands selbst die Sonne des Platon und des Dionysios, um durch ihren Glanz meine wunderbare Liebe für Dich ringsumher bekanntzumachen. Wie aber Merkur die Geschenke des Phoebus dem Geist der Menschen bringt, so möge Johannes Streler, für mich sozusagen ein zweiter Merkur, zu Euch dieses phoebeische Geschenk von mir bringen. Du wirst also mit Freude lesen, phoebeischer Fürst, was über den Vergleich der Sonne mit Gott teils Platon und Dionysios Areopagita dargelegt haben, teils ich übersetze und kommentiere. Lebe glücklich in diesem Schatten des Lebens, um hernach schließlich eine ewige Sonne zu genießen. Leb wohl.

Epistola 7

St.                    fol. 28r-32v

Laur.20             fol. 31r-34v

v                      fol. CLXXXVIIv-CLXXXVIIIr

n                      fol. CCXXXv-CCXXXIv

l                       fol. B5r-B6r

v2                    fol. Dr-Diir

str1/str2             fol. Nr-Niir

t                       fol. B8v-C2v

b1/b2               pag. 946-947

b3/b4               pag. 974-975

p1                    pag. 971-972

p2                    pag. 998-999

Solem non esse adorandum tamquam rerum omnium auctorem[76]. [77]

Die Sonne dürfe nicht gleichsam als Ursprung aller Dinge angebetet werden.

Marsilius Ficinus Eberardo[78] inclito comiti Virtembergensi[79] et Montis Peligardi seniori salutem dicit.

Marsilio Ficino sendet Eberhard dem Älteren, dem berühmten Grafen von Württemberg und Mömpelgard seinen Gruß.

Socrates in castris saepe sub divo[80] solem suspiciens[81] orientem stetit attonitus[82] in eisdem vestigiis immotis membris, inconniventibus[83] oculis, statuae more, quousque solem salutaret iterum resurgentem. His ergo Platonici similibusque[84] signis adducti Socratem forte dicent Phoebeo[85] quodam daemone statim ab ipsa pueritia ductum Phoebum[86] ipsum venerari[87] summopere consuevisse eademque ratione sapientissimum Graecorum omnium Appollinis[88] oraculo iudicatum[89]. Ego[90] vero quid de Socratis daemone seu genio sive angelo affirmandum maxime videatur in praesentia praetermittam. Id certe ausim affirmare Socratem in eo mentis excessu[91] non solem quidem hunc admiratum fuisse, sed alterum. Cum[92] enim admirationem sola novitas afferre soleat, quid tantum[93] stupeat[94] hunc[95] admirabundus Socrates, quem et quotidie videt, cuius et motus omnes viresque iam diu mathematica simul et physica ratione comprehenderat. Quem (teste Platone) non Deum primum sed Dei filium appellavit, non filium, inquam, Dei primum, sed secundum[96] iamque visibilem. Primum namque Dei filium non solem hunc oculis manifestum, sed alterum hoc longe superiorem[97], intellectum scilicet primum solo contemplabilem intellectu.

Sokrates stand oft im Lager unter dem göttlichen Himmel und betrachtete voller Bewunderung den Sonnenaufgang wie betäubt, ohne sich von der Stelle zu rühren, ohne die Glieder zu bewegen, ohne die Augen zu schließen, wie eine Statue - solange bis er die wieder aufgehende Sonne begrüßte. Aufgrund dieser und ähnlicher Zeichen werden die Platoniker vielleicht sagen, daß Sokrates, von einer Art Dämon des Phoebus geleitet, schon von frühester Jugend an den Phoebus selbst in höchstem Maß zu verehren pflegte und aus demselben Grund vom Orakel Apolls zum größten Weisen aller Griechen erklärt worden sei. Ich aber möchte im Augenblick übergehen, was man über des Sokrates Dämon - sei er Genius oder Gottesbote - mit Sicherheit aussagen kann. Dies aber möchte ich gewiß zu behaupten wagen, nämlich daß Sokrates in dieser Gedankenversunkenheit gewiß nicht diese Sonne bewundert hat, sondern eine andere. Da allein das Neue für gewöhnlich Staunen erregt, warum nur sollte Sokrates stutzen und die Sonne bestaunen, die er jeden Tag sieht und deren sämtliche Bewegungen und Wirkungen er schon lange sowohl mathematisch wie physikalisch begriffen hatte. Diese nannte er nach Platons Zeugnis nicht den ersten Gott, sondern den Sohn Gottes, nicht aber den ersten Sohn Gottes, wie ich meine, sondern den zweiten, der bereits sichtbar ist. Denn nicht der erste Sohn Gottes erscheine den Augen als diese Sonne, sondern der zweite, der diesem weit überlegen sei; die Idee des ersten sei nämlich allein der Erkenntnis zugänglich.

Socrates igitur sole caelesti nonnumquam admonitus solemque inde[98] supercaelestem[99] auguratus et illius maiestatem contemplabatur attentior et patris illius incomprehensibilem bonitatem admirabatur attonitus. Hunc[100] Iacobus apostolus patrem luminum appellavit, luminum, inquam[101], plus quam caelestium atque caelestium [102], apud quem non sit transmutatio[103] neque[104] vicissitudinis[105] obumbratio. Nam et supercaelestia illa facta putat naturaliter mutabilia[106], et caelestia[107] quotidie per noctium vices obumbrari[108] non dubitat[109]. Quamobrem omne datum optimum scilicet menti naturaliter insitum et omne donum perfectum videlicet post naturales dotes adhibitum non a sole hoc stellisque mundanis, sed altius ab ipso patre luminum descendere censet.

Da Sokrates also durch die himmlische Sonne bisweilen erinnert worden war[110] und daraufhin eine überhimmlische Sonne ahnte, betrachtete er ihre Pracht aufmerksamer und bewunderte ergriffen die unbegreifliche Güte ihres Vaters. Diesen nannte der Apostel Jakobus den Vater des Lichts, des Lichts, so betone ich, mehr als des Himmlischen, und des Himmlischen, bei dem es weder eine Veränderung noch Verdunkelung durch den Sonnenauf- und -untergang gebe. Denn er hält auch jenes Überhimmlische von Natur aus für veränderlich und bezweifelt nicht, daß das Himmlische täglich durch das wiederholte Eintreten der Nacht verdunkelt werde. Deshalb meint er, daß alles, was als Bestes von Natur aus dem Geist eingegeben worden sei, und daß jede vollendete Gabe, die nach den Geschenken der Natur hinzuerworben werde, nicht von dieser Sonne und den weltlichen Sternen, sondern aus größerer Höhe direkt vom Vater des Lichts herabsteige.

Nam intelligentiae viribus quasi gradibus quibusdam, non quidem caelitus, sed desuper acceptis, freti super caelos ascendimus, ibique[111] multa caelis praestantiora cognoscimus et[112] amamus et colimus; ipsumque caeli fabrum ante omnia veneramur. Neque tamen possemus intelligentia incorporeum aliquid caeloque melius intelligere vel amare, si caelitus tantum intelligentiam haberemus. Iam vero ne quis solem lunam stellas nimium admiratus[113] et adoraret et tamquam intellectualium munerum[114] auctores[115] et patres veneraretur, prudenter admonuit solem hunc non esse universi principium.

Denn im Vertrauen auf die Kräfte der Erkenntnis steigen wir gleichsam wie auf Stufen, die wir freilich nicht vom Himmel, sondern von einer Sphäre darüber erhalten haben, über den Himmel hinaus und lernen dort vieles, das den Himmel übertrifft, kennen, lieben und verehren. Vor allem empfinden wir Ehrfurcht vor dem Schöpfer des Himmels selbst. Doch könnten wir mit unserem Erkenntnisvermögen nicht irgendetwas Körperloses oder Besseres als den Himmel wahrnehmen oder lieben, wenn wir nur vom Himmel her unser Erkenntnisvermögen hätten. Damit aber nun niemand die Sonne, den Mond und die Sterne, da er allzu verwundert ist, anbetet und gleichsam als Urheber und Väter der geistigen Gaben verehrt, mahnte er vernünftigerweise, daß die Sonne nicht der Urgrund des Universums sei.

Missas in praesentia faciam rationes, quibus in theologia nostra principium universi nec corpus esse nec animam nec intellectum, sed aliquid[116] admodum excelsius affirmamus. A quo quidem sol caelestis longissime distat, ut umbra quaedam illius esse iudicetur[117] potiusquam imago. Rationes autem, quas [118] Iacobus hic attingit[119], breviter in praesenti[120] perstringam. Cum status tamquam principium et rector finisque motionis [121] sit, omni motu perfectior certe Deus ipse principium et finis[122] et rector omnium mobilis esse non potest; sol autem est assidue[123] mobilis. Praeterea principii virtus tamquam immensa fortiter attingit omnia nec usquam cohiberi potest. Solis[124] autem virtus per radios agens praepeditis[125] passim radiis impeditur, defectum patitur obiecta[126] luna, saepe nubibus coercetur, terrena densitate repellitur, distantia loci debilitatur sol ipse: quin etiam minima quaedam est particula mundi. Angusta quadam sede tenetur, trahitur a sphaera rursumque retrahitur[127] , contraque sphaerae propriae impetum a sphaera semper superiore revolvitur, contrariis[128] signis impeditur et stellis et aspectu[129] malorum nonnumquam debilitatur. Denique principium universi omnia ubique et semper et in omnibus operatur. Sol autem nec mundi globos ipse facit nec quaecumque frigida, vel humida sunt, vel densa similiaque ipse virtute propria[130] potest efficere. Neque similes[131] in caelo virtutes ullam a sole ducunt originem. Ceterum[132], quamvis sol ab auctore[133] mundi longissime distet, caelestia tamen omnia ad solem unicum quasi[134] rectorem in caelo mensuramque divinitus[135] redacta videntur, ut hinc prorsus admoneremur, ut[136] omnia, quae in caelo sunt[137] et sub caelo et super caelum, ad unum cunctorum principium similiter referri[138][139], considerantes tandem hoc ipsum ea saltem observantia veneraremur[140] , qua caelestia solem.

Für den Moment möchte ich die Gründe übergehen, aufgrund derer wir in unserer Theologie behaupten, daß das dem Universum zugrundeliegende Prinzip weder Körper noch Seele noch Geist, sondern etwas deutlich Erhabeneres sei. Hiervon ist die himmlische Sonne freilich sehr weit entfernt, so daß man sie eher für seinen Schatten hält als für ein Abbild. Die Gründe aber, die Jakobus dazu erwähnt, möchte ich nun kurz berühren. Weil der unbewegte Zustand gleichsam Prinzip, Lenkung und Ziel der Bewegung, ja vollkommener als jede Bewegung ist, kann Gott, der selbst Prinzip, Ziel und Lenker von allem ist, nicht beweglich sein - die Sonne aber ist fortwährend in Bewegung. Außerdem erreicht die gleichsam unendliche Energie des Prinzips kraftvoll alles und kann nirgends zurückgehalten werden. Die bloße Energie der Sonne aber, die durch Strahlen wirkt, wird gehemmt, wenn ihre Strahlen allenthalben aufgehalten werden, muß Verfinsterung erdulden, wenn der Mond ihr im Weg steht, wird oft von Wolken umschlossen und durch die Dichte der Erde zurückgedrängt, durch die Entfernung wird die Sonne selbst ihrer Kraft beraubt, ja sie ist sogar nahezu der geringste Teil der Welt, und sie wird auf einen engen Raum beschränkt, wird wieder und wieder von ihrer Kreisbahn gezogen und dreht sich gegen den stürmischen Lauf der eigenen Kreisbahn immer von der oberen Bahn wieder zurück, wird durch widrige Sternbilder und Sterne aufgehalten, und beim Anblick von Übeln verliert sie manchmal an Kraft. Kurz, der Beginn des Universums bewirkt alles und wirkt auch immer in allem. Die Sonne aber macht weder die Weltkugeln selbst, noch kann sie alles, was kalt oder feucht oder dicht oder dem ähnlich ist, mit ihrer eigenen Energie hervorbringen. Auch ähnliche Energien im Himmel leiten ihren Ursprung keineswegs von der Sonne her. Obwohl die Sonne sich vom Schöpfer der Welt sehr weit unterscheidet, scheint im übrigen alles Himmlische dennoch durch göttliche Fügung auf die eine Sonne gleichsam wie auf einen Lenker und ein Maß im Himmel zurückzugehen, so daß wir dadurch unmittelbar daran ermahnt werden, daß wir, wenn wir bedenken, daß alles, was im Himmel ist und unter dem Himmel und oberhalb des Himmels, auf diesen einen Ursprung aller Dinge in gleicher Weise zurückgeht, schließlich dieses selbst mit mindestens der Hochachtung verehren, mit der die Himmlischen die Sonne verehren.

Epistola 8

Laur.20             fol. 68v-70v

fl.7                   fol. e Iv-e Iiv

v                      fol. CLXXXIXv

n                      fol. CCXXXIIIr-CCXXXIIIV

v2                    fol. Giiiv-Givr

g                      fol. 111r

b1                    pag. 950 (pag. 949 om. b1)

b2                    pag. 949

p1                    pag. 974

Saepe in caelestibus gemini sunt. Item soles duo.

Oft finden sich unter den Himmelskörpern Zwillinge. So gibt es auch zwei Sonnen.

Marsilius Ficinus Florentinus[141] Martino Prennyngero Germano, suo quasi germano[142], salutem dicit[43].

Marsilius Ficinus aus Florenz sendet Martin Prenninger aus Deutschland, seinem "Bruder", seinen Gruß.

Iuvat una[144] tecum, mi Uranie vir caelestis, caelestia saepe tractare. Non solum in firmamento gemini sunt illi Dioscuri, sed inter planetas sunt quoque germani. Mercurius enim quasi minor frater est Saturni; consimili enim (ut Plato inquit) luce fulgent et ingeniis utrique praesunt. Germana Iovis est alma Venus Phoebi[145] quoque Phoebae[146]. Mars autem quasi superbior communionis expers solem ipsum non tam comitatur quam aemulatur. Praeter enim fervorem suum solis aemulum quasi rivalis lumen (nescio quod) infundit Lunae paucis admodum observatum. Post haec autem aetherius[147] aer: quasi Iuppiter[148] alter frater et maritus est sequentis aeris quasi Iunonis.

Es erfreut mich, zusammen mit Dir, mein Uranius, Du Himmlischer, oft die Himmelserscheinungen zu behandeln. Am Firmament sind nicht nur die Dioskuren Zwillinge, sondern auch unter den Planeten gibt es Brüder. Merkur ist nämlich gleichsam der jüngere Bruder des Saturn, denn sie leuchten beide, wie Plato sagt, mit nahezu demselben Licht und zeichnen sich beide durch ihre Beschaffenheit aus. Die Schwester Jupiters wie auch die des Phoebus und der Diana ist die holde Venus; Mars jedoch in seiner ziemlich hochfahrenden Art entbehrt der Gemeinschaft und ahmt die Sonne mehr nach, als daß er sie begleitete. Außer einer Hitze, die der der Sonne gleichkommt, strahlt er nämlich als eine Art Nebenbuhler sein Licht - ich weiß nicht, was für eines - auf den Mond, was bisher nur von wenigen beobachtet worden ist. Nun aber zur ätherischen Luft: Jupiter ist gleichsam ein weiterer Bruder und der Gatte der folgenden Luft wie der Juno.

Sed ut revertamur ad solem - quid mirum, siquidem in caelo sunt gemini soles, geminos quoque penes me quasi soles esse natos, primo[149] quidem minorem, deinde maiorem[150]. Minorem igitur ipse orator ad pontificem proficiscens praeterita aestate apud nos vidisti Florentiae, qui et te hinc in Germaniam abeuntem e vestigio secutus[151] est clarissimum principem tuum Eberardum[152] salutaturus. Alterum vero solem, qui inter Platonicas commentationes grandior iam coaluit, iure sibi vindicat Petrus Medices,[153] qui et Platonica iure sibi omnia vindicat lumen similiter. Mi[154] Uranie, mihi geminum inter lares eluxit, minus atque maius. Minus quidem iam diu Phoebo Capellae fulsit[155], maius vero nunc Petro Medici clarissimo lucet; utrumque igitur vir caelestis feliciter contemplare. Contemplaberis vero feliciter, si luminis huius similitudine[156] Platonicorum[157] hoc, quod sequitur, de divinitate mysterium memoriae commendaveris.

Aber, um auf die Sonne zurückzukommen - was wundert es, wenn es freilich am Himmel zwei Sonnen gibt, daß auch hier bei mir zwei Sonnen entstanden sind, zuerst nämlich eine kleinere, dann eine größere. Die kleinere nun hast Du selbst, als Du als Gesandter zum Papst aufgebrochen bist, im vergangenen Sommer hier bei uns in Florenz gesehen, die Dir, als Du von hier aus nach Deutschland abgereist bist, auf dem Fuß gefolgt ist, um Deinen so vorzüglichen Fürsten Eberhard zu grüßen. Die andere Sonne aber beansprucht Pietro de Medici mit Recht für sich, der inmitten der platonischen Kommentare bereits zu beträchtlicher Größe herangewachsen ist und mit Recht für sich das Licht in gleicher Weise wie auch alles Platonische in Anspruch nimmt. Mein Uranius, mir leuchtete ein doppeltes Licht zwischen den Laren hervor, ein kleineres und ein größeres. Das kleinere freilich schimmerte schon lange dem Phoebus in der Ziege [im Sternbild des Fuhrmanns], das größere aber strahlt jetzt für den vorzüglichsten Pietro de Medici. Beobachte Du als Mann des Himmels daher mit Erfolg beide - Du wirst sicher mit mit Erfolg Deine Beobachtungen anstellen, wenn Du aufgrund der Ähnlichkeit dieses Lichts das Geheimnis der Platoniker über die Göttlichkeit, das jetzt folgt, in Erinnerung behältst.

Quae minimum lumen habent, non aliter cernere consuevimus quam passim quaerendo propius[158] accedentes, solem vero visuri. Non tam quaerere solem cogimur ultro nobis obvium atque omnium patentissimum quam purgare oculos aperire convertere. Proque modo nostro hos ad illum accommodare similiter ceterarum quidem rerum veritates exiguas quasi scintillas argumentationibus perscrutari compellimur. Immensum vero Dei lumen sic assequi non valemus[159], sed et amatoria voluntatis conversione et serenitate mentis paramur ad illum nobis videlicet praeparatis ultro feliciter coruscantem. Hinc Platonicum illud, divina quidem verbis rationibusque doceri non possunt, quemadmodum ceteraque[160] discuntur. Sed assidua circa divinum ipsum consuetudine vitaeque communione[161] subito tandem nobis velut ab igne scintillante lumen effulget in animo seque ipsum iam alit. Die XVIII Ianuarii MCCCCLXXXXIII.[162]

Diejenigen Himmelskörper, die sehr wenig Licht ausstrahlen, erkennen wir für gewöhnlich nur auf die Weise, daß wir uns ihnen durch das Suchen in jede Richtung nähern. Wir sind jedoch nicht so sehr gezwungen, die Sonne zu suchen, da sie sich selbst und von allen Himmelskörpern am offensten darbietet, als vielmehr die Augen zu reiben, zu öffnen und hinzusehen. Und entsprechend unserer Natur sind wir genötigt, die Augen an sie anzupassen, und die kleinen Wahrheiten der übrigen Dinge gleichsam wie Funken mit einer guten Beweisführung zu ergründen. Das unermeßliche Licht Gottes aber vermögen wir auf diese Weise nicht zu erreichen, sondern durch liebende Hinwendung des Verlangens und Heiterkeit des Verstandes bereiten wir uns darauf vor, damit es uns dann natürlich, wenn wir uns vorbereitet haben, wie von selbst glücklich aufleuchtet. Soweit zu jenem Platonischen - das Göttliche kann jedoch weder mit Wörtern noch mit Methode gelehrt oder wie die übrigen Dinge gelernt werden. Aber durch fortwährenden Umgang und die Gemeinschaft des Lebens mit dem Bereich des Göttlichen selbst erglänzt es schließlich plötzlich in unserem Geist wie ein Licht von Feuerfunken und nährt sich schon selbst. Am 18. Januartag 1493.

Bearbeiter: Rolf Hartkamp

Stand: 14.03.2002


[1] Florentinus om. vnb1b2p1

[2] Prenyngero M

[3] S.D. Mvnb1b2p1 :  S.P.D. fl.7v2g

[4] Iamblicum b1p1

[5] otto M

[6] nostrarum libros bis M

[7] aurara b2

[8] Novus b2

[9] ottobris M

[10] unam supra om. M

[11] ferme medium om. M

[12]orientis om. p1

[13] duodecima b2

[14] ac forte M

[15] in domo nona om. M

[16] cancro M

[17] ibidem om. M

[18] Tam etsi utque gradus et terminos: neque hec etiam exacta unquam ratione placuit reputare. add. M

[19]valetudinem b1b2p1

[20] feliciter Mb1b2

[21] xxix nb1b2 : Vigesimo nono Augusti. M.cccc.lxxxix. p1

[22] Florentiae om. vnb1b2p1

[23] S. Mvb1 : S.D. nb2p1

[24] opam v

[25] ut b1b2p1

[26] M.CCCC.XCI. b2p1

[27] Florentiam vn

[28] et om. M

[29] S. M : S.D. vnb1b2p1

[30] ad om.   b1b2p1

[31] tamen b1b2p1

[32] diffidemini b1b2p1

[33] prosequimini M : prosequamini b1b2p1

[34] ergo n

[35] Mccccxci. nb2p1

[36] oratori Romae om. vnb1b2p1

[37] S. M : S.P.D. vnb1p1 : S.D. b2

[38] a deo v

[39] ego b2

[40] Primo Aprilis MCCCCLXXXXII. om. vnb1b2p1

[41] Florentinus om. vnb1b2p1

[42] Eberdardo b2

[43] duci vnb1b2p1

[44] Vuittenbergensi b1 : Vuirtembergensi b2 : Vuittembergensi p1

[45] senatori vn

[46] S.D. M : S.P.D. nb1b2p1

[47] lauudmque b1

[48] conspicaret b2

[49] concomitate n

[50] Nummae Mvn

[51] perhibet Mb1b2p1n : phibet v

[52] nos quoque   n

[53] (ut iam facis) me facis) memineris n

[54] author b1b2p1

[55] dispositionem et quotidianos caelestium cursus aspectuque considerans prosequaris om. M

[56] aspectusque p1

[57] + Hic deest finis epistolae ad ducem Vuirtembergensem (Vuittembergensem b2 : Vuitembergensi p1). Principium epistolae ad Bandacium. b1b2p1

[58] xxviii. Iunii. Mcccclxxxxii om. vnb1b2p1

[59] Eberdardo b2

[60] inclito om. M

[61] duci vntb1b2p1

[62] Vvirtembergensi t : Virtembergensi M : Vuirtembergensi b1b2p1

[63] S. St.t : S.D. M : S.P.D. vnb1b2p1

[64] noster om. t

[65] conversia v

[66] princepes M

[67] a M

[68] Dyonisiacum vn

[69] in om. p1

[70] Phebi St.

[71] Phebeum St. : Phoebum b1b2p1

[72] Phebee St.M : Phoebeae b1b2

[73] ergo M

[74] ac add. St.Mt

[75] hac p1

[76] authorem tb1b2b3b4p1p2

[77] Marsilius Ficinus Eberardo inclito comiti Virtembergensi et Montis Peligardi seniori salutem dicit. om. St.Laur.20lv2str1str2tb3b4p1 : capitulum tredecimum add. l : Cap. XIII add. Laur.20v2b3b4 : Capitulum XIII et ultimum add. str1str2 : caput XIII add. p2

[78] Eberhardo nb2

[79] Vuirtembergensi b1b2p1

[80] dio p2

[81] suspitiens l

[82] tonitus t

[83] inconiventibus vn : in conniventibus l

[84] silibusque str1str2

[85] Phebeo St.Laur.20 : Phaebeo v2b3

[86] Phebum St.Laur.20 : Phaebum v2

[87] veoerari b4

[88] Apollinis St.Laur.20lb1v2tb2b3b4p2

[89] indicatum l

[90] E go n ( litteram r del.)

[91] excussu b3b4

[92] Cui b1b2p1

[93] tant t

[94] stupeatum t

[95] hinc p1

[96] sed bis b1

[97] supiorem v

[98] inde om. p1

[99] supcaelestem v : super caelestem b4

[100] Huuc str1

[101] celestium add. str1 : celestium atque add. str2

[102] atque caelestium om. str2tb3b4p2

[103] trasmutatio v2

[104] atque lb3b4p2

[105] vicissituditni str1

[106] immutabilia l

[107] multa quoquo modo add. Laur.20lv2str1str2b3b4p2 : quotidie per noctium vices om. Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[108] obumbrata l

[109] dubitant Laur.20v2strlb3b4 : subcaelestia vero quotidie add. Laur.20lstr1str2b3b4p2 : aut subcaelestia vero quotidie v2

[110] Für Platon verfügt der Mensch über die Ideen der Dinge schon vor seiner Geburt in der Seele. Sie sind ihm allerdings nicht bewußt; er muß sich daran erinnern.

[111] ubique b3b4p2

[112] et om. vnb1b2p1

[113] admiratus om. b1b2p1

[114] numerum b2

[115] authores tb1b2b3b4p1p2

[116] si add. n

[117] videatur str1str2

[118] quam b2

[119] breviter add. vn

[120] praesentia vnb1b2b4p1

[121] metionis b1b2p1

[122] et finis om. b3b4p2

[123] assidue est l

[124] Solus b2

[125] praepeditus str1str2

[126] obieta v

[127] a sphaera rursumque retrahiturom. n : attrahitur t

[128] Contrariisque Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[129] ut ita loquar add. Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[130] propra St.

[131] si quae sunt add. Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[132] Ceterumque vn

[133] authore tb1b2b3b4p1p2

[134] .q. Laur.20vn : qua b1b2p1 : quoniam b3b4p2

[135] diuitus v : diutius n

[136] ut om. Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[137] unt str2

[138] referri similiter Laur.20lv2str1str2b3b4p2

[139] idque add. Laur.20lv2str1str2 b3b4p2

[140] venerarentur b2 : veneramur b3b4p2

[141] Florentinus om. vnb1b2p1

[142] Prennyngero Germano, suo quasi germano Laur.20v2 : Prennyngero suo quasi germano fl.7 : Praennyngero Germano, suo quasi germano g : Uranio Germano amico unico vnb1b2p1

[143] S.D. Laur.20vnb1b2p1 : S.P.D. fl.7v2g

[144] unum n

[145] Phaebi Laur.20v2

[146] Phaebae Laur.20v2

[147] aeternus nb1b2p1

[148] Iupiter Laur.20fl.7gb2p1

[149] principio b1b2p1

[150] maiorem deinde minorum vnb1b2p1

[151] sequutus vnb1b2p1

[152] Eberhardum b2

[153] et add. b1b2p1

[154] o add. vnb1b2p1

[155] fulxit v

[156] similitudiem v

[157] Platonicum fl.7vnv2gb1b2p1

[158] proprius v

[159] valeamus p1

[160] cetera, quae fl.7v2gb1b2p1

[161] communiorem vn : communionem b1b2p1

[162] Die XVIII Ianuarii MCCCCLXXXXIII om. vnb1b2p1

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